Bedürfnisse…

Es ist interessant, wie sie einen stets begleiten, sich aber auch immer wieder etwas verändern – die Bedürfnisse! Ich möchte kurz klarstellen, dass es in dieser Kolumne nicht um lebensnotwendige Bedürfnisse geht, sondern um jene, die wir in unserer wohlhabenden Welt entwickeln. Darunter verstehe ich  die Selbstverwirklichung und ein Stück weit auch die Selbstliebe. Es geht also um die oberste Spitze der Maslov’schen Pyramide.

Ich werde in der letzten Zeit öfters mit Gefühlen konfrontiert, die ich als „Bedürfnisse“ bezeichne . Dabei komme ich nicht umhin mich auch mit anderen verwandten Themen wie „Erwartungen“ und „Prioritäten“ auseinanderzusetzten. Alle diese Themen liegen sehr nahe beieinander.

Was sind den überhaupt Bedürfnisse? Und wo ist die Grenze von einer Sache, die ich gerne möchte, hin zu einem Bedürfnis? Ich glaube, das ist eine Gefühlssache. Und, warum wir fühlen was wir fühlen hat keine logischen, sondern emotionale Gründe. Etwas nicht zu haben, das einem ein Bedürfnis ist, hinterlässt einen emotionalen Schmerz. Doch sind diese Bedürfnisse überhaupt legitim? Oder bedeutet der Schmerz nur, dass eine Erwartung unerfüllt bleibt…? Es ist einer meiner Grundsätze, dass man auf seine Gefühle hören soll. Sogar schon Sokrates sagte: „Ein unbewusst gelebtes Leben ist nicht wert, gelebt zu werden.“ Das heisst, es ist wichtig, dass wir uns unserer Bedürfnisse bewusst werden. Also müssen wir auch danach handeln. Was uns wiederum dazu legitimiert, darauf zu bestehen, dass gewisse Bedürfnisse befriedigt werden, wenn der Schmerz zu gross ist. Ein Bedürfnis ist also quasi eine legitimierte Erwartung. Und zwar deshalb, weil es etwas ist, auf das wir in unserem Leben nicht verzichten können.

Doch Bedürfnisse können sich ändern. Das geschieht meiner Erfahrung nach vor allem mit fortschreitendem Alter. ein Zwanzigjähriger hat vom Leben noch ganz andere Erwartungen als ein Dreissigjähriger, der schon einige Erfahrungen gemacht hat und sogar auch schon mal auf die Nase geflogen ist. Wichtig ist, dass man daraus seine Lehren zieht und positiv weitermacht. Aber dabei verschieben sich eben manchmal auch die Bedürfnisse. Wir bekommen eine andere Sichtweise auf das Leben – unsere Perspektive darauf verschiebt sich. Vielleicht senken wir unsere Ansprüche, vielleicht korrigieren wir sie aber auch nach oben. Was Beziehungen angeht, verschieben wir sie wohl meist ganz in eine andere Richtung. Wir erachten andere Dinge als wertvoller. Je älter man wird, desto grösser wird auch der Rucksack an Erfahrungen, den man trägt. Und diese Erfahrungen beeinflussen unsere Sichtweise und unser Handeln.

Was heisst das nun für eine Liebesbeziehung? Ich denke, dass unsere Bedürfnisse bereits die Auswahl unserer Partner beeinflusst. Insgeheim legen wir einige Muss-Kriterien fest, die ein potentieller Kandidat erfüllen muss, damit er für uns in Frage kommt. Meiner Meinung nach sind das unsere Bedürfnisse. Es ist also darauf zu achten, dieses Wort nicht leichtsinnig zu verwenden. Denn bei Bedürfnissen geht es wirklich nur um wesentliche, essentielle Dinge. Alles andere bezeichne ich als Erwartungen. Der Unterschied liegt für mich vor allem in der Kompromissbereitschaft. Diese ist bei Erwartungen bei mir höher. Ich finde nicht, dass ich von meinem Partner erwarten darf, dass er alle meine Wünsche erkennt. Das kann oft ein sehr heikler Punkt in der Beziehung sein. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man Erwartungen besser ausspricht, wenn man möchte, dass sie erfüllt werden.

Eine Beziehung besteht ja immer aus Geben und Nehmen. Auf Bedürfnisse und Erwartungen bezogen heisst das Haben und Erkennen. Es ist zugegebener Massen sehr schwierig, sich einerseits darüber bewusst zu werden, welche Bedürfnisse man selbst hat und andererseits die des andern zu erkennen. Doch eigentlich ist das ja genau der Punkt, weshalb wir überhaupt eine Beziehung führen. Wir haben das Bedürfnis, unser Leben mit einer anderen Person zu teilen. Und genau dieses ist das eine Bedürfnis, das wir mit dem andern teilen und das uns miteinander verbindet.

Eigentlich müsste ja jetzt in diesem Artikel eine Schlussfolgerung kommen. Aber ganz ehrlich gesagt, ich habe auch keine Erklärung dafür, wie man am besten die Bedürfnisse und Erwartungen des andern erkennt. Es gibt eben kein Beziehungs-Rezept. Aber genau das heisst ja „Leben“.  Die spannende Suche nach dem richtigen Weg für sich und seine Beziehung. Ich habe jedenfalls gerade gemerkt, dass in Sachen Liebesbeziehung für mich nur das eine Bedürfnis besteht, nämlich das, mein Leben mit jemandem zu teilen.  Alles andere sind Erwartungen, die man in der einen oder anderen Lage vielleicht überdenken oder auch mal aussen vor lassen kann.

Ich habe zum Beispiel gedacht, dass die „grosse Geste“ in einer Liebesbeziehung für mich ein Bedürfnis sei. Damit meine ich keinen Kitsch (auch wenn ich Kitsch liebe!), sondern Zeichen, die einem ab und zu einfach wieder zeigen, was man dem anderen bedeutet. Doch jetzt, da ich alles durchdacht und auf mein wirkliches Bedürfnis runter gebrochen habe, stelle ich fest, dass das gar nicht so wichtig ist. Am Ende geht es doch einfach nur darum, dass jemand da ist, der sich kümmert und zu einem steht. Und darauf sollte man vertrauen können. Hier fügen sich für mich die Bedürfnisse und die Kompromissbereitschaft wieder zusammen. Denn genau das kann die „grosse Geste“ sein. Ich muss gar nicht mehr darauf warten, denn sie ist schon längst da.

Herzlichst,

Eure Coco

 

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